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Wege zu modernen Standards

PD Dr. Gunter Raab :: 16.03.2009

Die Standards in der Behandlung von Brustkrebs entstehen heutzutage durch wissenschaftliche Untersuchungen. Hierzu gehören die Grundlagenforschung und die sog. klinische Forschung.

In der Grundlagenforschung werden im Labor an Tumorzellen unter anderem Fragen nach Gründen der Entstehung von Brustkrebs, nach Entstehungsmechanismen, nach Abläufen des Tumorwachstums und der Metastasierung untersucht. In jüngster Zeit spielt hier die Gentechnik eine immer bedeutendere Rolle. Aus den Ergebnissen der Grundlagenforschung werden Annahmen getroffen, welche Auswirkungen diese Ergebnisse auf Tiere und auch Menschen haben könnten, und ob eine Einflussnahme auf diese Auswirkungen, z.B. durch Medikamente, von Vorteil sein könnten.

Zur Überprüfung dieser Annahmen werden weitere Untersuchungen angestellt und Substanzen gesucht, heute auch mit Hilfe gentechnischer Verfahren gezielt "designed", die hier Einfluss nehmen können. Wenn dann dieser Einfluss exakt bestimmt worden ist, und er auch in Richtung Heilung gerichtet ist, erfolgen weitere Schritte, die die Unschädlichkeit der Substanzen nachweisen müssen. Dies geschieht zunächst in Tierversuchen. Wenn eine Substanz bis hierhin nicht "durchgefallen" ist, und es fallen sehr viele Substanzen im Laufe ihrer Entwicklung durch, dann wird sehr sorgfältig und kritisch überlegt, ob und wie die betreffende Substanz in die klinische Forschung am Menschen eingeführt werden kann.

Spätestens jetzt müssen alle weiteren Schritte entsprechend dem Arzneimittelgesetz den zuständigen Aufsichtsbehörden detailliert vorgelegt, begründet und auch die Erfolgsaussichten dargelegt werden. Zu diesen Behörden gehören das Gesundheitsamt, das Bundesamt für Arzneimittelsicherheit und die Ethikkommissionen.

Erste Untersuchungen am Menschen müssen die richtige Dosis der Substanz herausfinden, meist bei freiwilligen "Versuchspersonen", später bei Patienten, bei denen es keine weiteren Therapiemöglichkeiten mehr gibt. Wenn die richtige Dosis gefunden ist, das bedeutet eine Dosis, bei der keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auftreten, geht es darum die Wirksamkeit zu beweisen. Dies erfolgt schrittweise bei Patientinnen, bei denen alle Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind, dann bei Patientinnen bei denen schon zwei Therapieschritte gegen Metastasen verabreicht worden waren, später ein Therapieschritt usw.

Auf diese Weise tastet sich die klinische Forschung vorsichtig nach vorne bis zu dem Zeitpunkt, an dem das neue Medikament mit dem besten "herkömmlichen" Medikament verglichen werden kann. Bei jedem Schritt bis dahin, wie auch bei dem letzten Schritt, werden alle jemals aufgetretenen Ereignisse, die bei den Patientinnen unerwartet sind, erfasst und ausgewertet. Ausgeklügelte Informationssysteme sorgen sogar dafür, dass schwere unerwartete Ereignisse innerhalb von 24 Stunden überall auf dem Globus allen an dem Projekt teilnehmenden Wissenschaftlern und Ärzten zur Kenntnis gebracht werden. Dadurch ist sichergestellt, dass rasch reagiert werden kann, falls sich Ereignisse häufen, und somit als Nebenwirkung der untersuchten Substanz eingestuft werden müssen.

Erst nach jahrelanger Beobachtung der im Rahmen von klinischen Forschungsprojekten behandelten Patienten, dürfen die Ergebnisse ausgewertet werden. Nur wenn umfangreiche statistische Auswertungen zweifelsfrei beweisen, dass ein beobachteter Vorteil hinsichtlich Wirkungen aber auch Nebenwirkungen, nicht auf Zufall beruht, sondern auf wirkliche Unterschiede zwischen den beiden Substanzen zurückzuführen ist, kann daran gedacht werden, alle verfügbaren Daten über die neue Substanz den Behörden vorzulegen und die Zulassung zu beantragen.

Dieser lange Weg kostet enorme Summen an Geld, meist mehrere hundert Millionen Euro. Dies zu investieren, ohne vorher sicher sein zu können, dass eine Substanz nicht wie oben erwähnt durchfällt, oder am Ende sich doch nicht als wirkungsvoller erweist, verlangt schon ein großes Maß an Pioniergeist. Und den bringt nur die forschende Pharmaindustrie auf.

Und daher kann nicht verlangt werden, dass ein auf diese teure Weise zur Zulassung gekommenes, modernes Medikament während der wenigen Jahre des Patentschutzes für ein paar Euro verkauft wird. Nach Ablauf des Patentschutzes darf das Medikament nämlich von den Billiganbietern nachgebaut und verkauft werden, ohne dass ein Euro vorher investiert worden ist und ohne das geringste Risiko. Die forschende Pharmaindustrie verdient daher eine entsprechende Würdigung und sollte nicht ständig als profitgierig gebrandmarkt werden.

Ohne sie, gäbe es heute nicht den hohen Standard der medizinischen Versorgung, der für viele Patientinnen die einzige Rettung bedeutet.