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Moderne Standards in Diagnose und Therapie

PD Dr. Gunter Raab :: 16.03.2009

Derzeit basiert die Behandlung des Mammakarzinoms auf den drei Säulen Operation, Strahlentherapie und systemische Therapie (postoperativ, präoperativ, antihormonell). Je nach prognostischen und prädiktiven Faktoren, wird festgelegt, welche Therapieformen empfohlen werden müssen.

Operation

Die Standardbehandlung des Mammakarzinoms ist heutzutage in über zwei Drittel der Fälle die brusterhaltende Operation mit Entfernung des Primärtumors im Gesunden und dem axillären Lymphknotenstaging, das entweder die komplette Resektion der axillären Lymphknoten, oder die Sentinel-Lymphknoten-Biopsie beinhaltet. Anschließend erfolgt die Bestrahlung der Brust. Nur in besonderen Fällen müssen diese Verfahren erweitert werden. Für den Fall, dass die Brusterhaltung nicht möglich ist, stehen eine Vielzahl plastisch rekonstruktiver Eingriffe zur Verfügung. Je nach Tumorstadium und Tumoreigenschaften, die auch als Prognosefaktoren dienen, muss entschieden werden ob, und falls ja, welche systemische Therapie zusätzlich notwendig ist.

Strahlentherapie

Bei der brusterhaltenden Chirurgie, sowie in speziellen Situationen nach Abnehmen der gesamten Brust wird im Anschluss die Strahlenherapie durchgeführt. Durch die Bestrahlung wird eine Senkung der Rate an lokalen Rezidiven in der Brust oder an der Thoraxwand angestrebt. Es gibt zudem Studien, die Hinweise dafür liefern, dass durch die Strahlenbestrahlung die Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht werden kann.

Systemische Therapie

Da das Mammakarzinom meist bereits bei Diagnosestellung als Systemerkrankung, also eine Erkrankung des ganzen Körpers angesehen werden muss, ist in vielen Fällen eine entsprechende systemische Therapie notwendig, um winzige, nicht nachweisbare Tumorreste oder Mikrometastasen heilend zu behandeln.

Postoperative systemische Therapie

Die postoperative, sog. adjuvante Chemotherapie, ist in den meisten Fällen als Standard bei operablen, hormonrezeptornegativen Mammakarzinomen anzusehen. In manchen Fällen mit positivem Hormonrezeptorstatus kann die Applikation einer adjuvanten Chemotherapie vor der adjuvanten antihormonellen Therapie nicht vermieden werden.

Präoperative systemische Therapie

Die primär systemische Chemotherapie des Mammakarzinoms hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Sie ist längst nicht mehr auf die sog. entzündlichen Mammakarzinome beschränkt, oder stellt nur eine Notlösung für nicht operable Tumore dar. Ebenso wenig ist sie nur als Methode zur Tumorverkleinerung in nicht brusterhaltend operablen Situationen anzusehen. Das Prinzip, die Chemotherapie der Operation voranzustellen, ermöglicht es vielmehr, die Empfindlichkeit individueller Tumore gegenüber der Chemotherapie zu bestimmen. Wenn man annimmt, dass im Körper verstreute Tumorzellen in gleicher Weise auf die primäre Chemotherapie reagieren, wie der Tumor selbst, so kann durch das Ansprechen des Primärtumors auf die Wirksamkeit der Chemotherapie insgesamt geschlossen werden. Dies ist in der adjuvanten Situation nicht möglich, da es hier bislang keine Möglichkeit gibt, deren Erfolg zu messen. Hinzu kommt, dass eine Fülle von Tumoreigenschaften in den kleinen Gewebeproben der Stanzbiopsien des Tumors vor, im Verlauf und nach der Chemotherapie bestimmt werden können und in Beziehung mit dem klinischen Ansprechen gesetzt werden können. Das Ziel ist, in Zukunft jeden Tumor individuell zu charakterisieren und einer individuellen Therapie zuzuführen, die mit einer möglichst hohen Wahrscheinlichkeit den Tumor vollständig verschwinden lässt. Wissenschaftliche Ergebnisse haben gezeigt, dass die Überlebenschancen am besten sind, wenn durch die primäre Chemotherapie ein Tumor vollkommen verschwindet. Zudem wurde bewiesen, dass die präoperative gegenüber der postoperativen Chemotherapie hinsichtlich des Überlebens wie auch bezüglich des Auftretens von Lokalrezidiven in der Brust gleichwertig ist. Eine Langzeitnachbeobachtung, wie bei der adjuvanten Therapie, ist zur Beurteilung des Therapieffektes nicht mehr wesentlich. Insgesamt wird derzeit ein Weg zu immer genaueren Auswahlkriterien beschritten, um die Wirksamkeit der primären Chemotherapie, durch genauere Zielrichtung weiter zu steigern und dies auch frühzeitig zu erkennen.

Antihormonelle Therapie

Mit ganz wenigen Ausnahmen wird fast allen Patientinnen mit hormonrezeptorpositiven Tumoren unabhängig von einer gegebenenfalls zusätzlich notwendigen Chemotherapie eine adjuvante antihormonelle (endokrine) Therapie empfohlen. Der bisherige Standard für Frauen nach den Wechseljahren, das synthetische Antiöstrogen Tamoxifen, das für fünf Jahre eingenommen werden sollte, wurde in den vergangenen Jahren durch die Aromatasehemmstoffe ersetzt. Hier gibt es die Optionen, diese für ebenfalls fünf Jahr von Anfang an einzusetzen, nach zwei Jahren Tamoxifen auf einen Aromatasehemmstoff umzusteigen, oder nach fünf Jahren Tamoxifen noch zusätzlich Aromatasehemmstoffe zu verordnen. Bei Patientinnen vor den Wechseljahren wird die Funktion der Eierstöcke medikamentös durch sog. GnRH-Analoga oder seltener durch die operative Entfernung ausgeschaltet und gleichzeitig Tamoxifen verabreicht.

Prognostische und prädiktive Faktoren

Um den zukünftigen Krankheitsverlauf, und somit die Heilungschancen (= Prognose) einer Patientin mit Mammakarzinom abschätzen zu können, werden unterschiedliche Prognosefaktoren herangezogen, deren Bestimmung vorgeschrieben ist. Dazu zählen das Tumorstadium, die Tumordifferenzierung (= Aggressivität des Wachstums) und der Rezeptorstatus (Hormonrezeptoren, Wachstumsfaktorrezeptoren). Prädiktive Faktoren, geben im Gegensatz zu den Prognosefaktoren Aufschluss über den Erfolg einer bestimmten Therapie. Bislang werden nur zwei prädiktive Faktoren zur Erstellung von Therapiekonzepten beim Mammakarzinom eingesetzt. Dieses sind der Hormonrezeptorstatus, der bei Positivität prädiktiv für das Ansprechen auf eine antihormonelle Therapie ist, und der HER2 Status (=Wachstumsfaktorrezeptor), dessen Positivität prädiktiv für das Ansprechen auf die Antikörpertherapie mit Trastuzumab (Herceptin®) ist.